Was ist der Merit-Order-Effekt?

Inhaltsverzeichnis

Der Merit-Order-Effekt beschreibt einen zentralen Mechanismus der Strompreisbildung am Großhandelsmarkt. Er erklärt, warum der Einsatz erneuerbarer Energien wie Wind- und Solarstrom zu sinkenden Börsenstrompreisen führen kann. Grundlage ist die sogenannte Merit Order, also die Einsatzreihenfolge von Kraftwerken nach ihren variablen Kosten.

Was bedeutet Merit Order?

Der Begriff Merit Order bezeichnet die Rangfolge, in der Kraftwerke zur Stromerzeugung eingesetzt werden. Diese Reihenfolge richtet sich nach den Grenzkosten, also den Kosten, die für die Produktion einer zusätzlichen Kilowattstunde Strom anfallen.

Typischerweise ergibt sich folgende Reihenfolge:

  • Erneuerbare Energien wie Wind- und Solarstrom (sehr niedrige Grenzkosten)
  • Laufwasser- und Kernkraftwerke
  • Braunkohle- und Steinkohlekraftwerke
  • Gas- und Ölkraftwerke (hohe Grenzkosten)

Je höher die Nachfrage, desto weiter „wandert“ der Einsatzentlang dieser Reihenfolge.

Wie entsteht der Merit-Order-Effekt?

Der Merit-Order-Effekt tritt auf, wenn Strom aus erneuerbaren Energien in den Markt eingespeist wird. Da Wind- und Solarstrom nahezu keine Brennstoffkosten verursachen, stehen sie in der Merit Order ganz vorne.

Ihre Einspeisung führt dazu, dass teurere Kraftwerke – insbesondere Gas- oder Ölkraftwerke – seltener oder gar nicht mehr benötigt werden. Da der Strompreis am Großhandelsmarkt durch das teuerste noch benötigte Kraftwerk bestimmt wird, sinkt der Strompreis am Spotmarkt insgesamt. Die detaillierte Berechnung des Merit-Order-Effekts hat das FrauenhoferISI in einer Analyse zusammengefasst.

Warum beeinflusst der Merit-Order-Effekt die Strompreise?

Der Strommarkt funktioniert nach dem Prinzip eines einheitlichen Marktpreises: Alle eingesetzten Kraftwerke erhalten den Preis des zuletzt benötigten Kraftwerks. Wird dieses durch günstigere Erzeugung verdrängt, sinkt der Marktpreis für alle.

Mit dem zunehmenden Ausbau erneuerbarer Energien wirkt der Merit-Order-Effekt daher preissenkend – allerdings nicht gleichmäßig. Da Wind- und Solarstromwetterabhängig sind, schwankt ihre Einspeisung stark.

Welche Folgen hat der Merit-Order-Effekt für den Strommarkt?

Der Merit-Order-Effekt hat mehrere strukturelleAuswirkungen:

  • Sinkende durchschnittliche Großhandelsstrompreise
  • Zunehmende Preisvolatilität am Strommarkt
  • Wirtschaftlicher Druck auf konventionelle Kraftwerke
  • Stärkere Abhängigkeit der Preise von Wetter und Nachfrage

Diese Effekte sind typisch für Strommärkte mit hohem Anteil erneuerbarer Energien.

Welche Grenzen hat der Merit-Order-Effekt?

Der Merit-Order-Effekt senkt zwar die Börsenstrompreise, wirkt sich jedoch nicht automatisch auf alle StromkundInnen aus. Netzentgelte, Abgaben, Steuern sowie langfristige Lieferverträge können den Effekt abschwächen oder vollständig überlagern.

Zudem ersetzt der Effekt keine strukturellen Maßnahmen zur Sicherstellung von Versorgungssicherheit und Netzstabilität.

Welche Kritik gibt es an der Merit-Order-Regelung?

Die Merit-Order-Regelung steht seit einigen Jahren zunehmend in der Kritik, insbesondere vor dem Hintergrund stark gestiegener Energiepreise. KritikerInnen bemängeln, dass der Strompreis für alle Marktteilnehmer durch das jeweils teuerste noch benötigte Kraftwerk bestimmt wird – häufig ein Gaskraftwerk. Dadurch können auch dann hohe Börsenstrompreise entstehen, wenn ein Großteil des Stroms deutlich günstiger aus erneuerbaren oder anderen kostengünstigen Erzeugungsquellen stammt.

Insbesondere in Phasen hoher Gaspreise führte dieses Prinzi pzu der Wahrnehmung, dass Strompreise nicht mehr die tatsächlichen durchschnittlichen Erzeugungskosten widerspiegeln. In der politischen und energiewirtschaftlichen Debatte wird daher diskutiert, ob und wie das bestehende Marktdesign angepasst werden sollte, um Preissignale besser an die veränderte Erzeugungsstruktur mit hohem Anteil erneuerbarer Energien anzupassen – ohne dabei die Funktionsfähigkeit des Strommarktes zu gefährden.

Der Merit-Order-Effekt ist ein grundlegender Mechanismus der Strompreisbildung und erklärt, warum erneuerbare Energien tendenziell zu niedrigeren Strompreisen an Märkten wie dem Day-Ahead-Markt führen. Gleichzeitig sorgt er für stärkere Preisschwankungen und verändert die Dynamik des Strommarkts nachhaltig.

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